Vaginom-Diagnostik

Untersuchung der vaginalen Gesundheit mittels Next Generation Sequencing

Das vaginale Mikrobiom – auch als Vaginom bezeichnet – ist die Gesamtheit des Genmaterials aller Mikroorganismen, die die vaginale Schleimhaut besiedeln. Bakterielle Vaginosen, Infertilität und habituelle Aborte sind Anlass für Untersuchungen zum Nachweis einzelner pathogener Bakterien. Jedoch stellt sich zunehmend heraus, dass die gesamte Zusammensetzung des Vaginoms eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der vaginalen Gesundheit spielt. Anders als die in der Standarddiagnostik eingesetzten kulturbasierten Nachweismethoden ermöglicht Next Generation Sequencing (NGS) einen umfassenden Nachweis des Vaginoms. Dies beinhaltet die Erfassung aller pathogenen und apathogenen bakteriellen Keime sowie Kulturen aller relevanten Pilze. Außerdem werden die in konventionellen Verfahren unterdiagnostizierten Trichomonaden molekulardiagnostisch erkannt.

Das physiologische Vaginom ist stabil und hat protektive Funktionen

Die Zusammensetzung der vaginalen Bakterien hat einen Einfluss auf das Auftreten bakterieller Vaginosen, die weibliche Fertilität und den Erfolg bei assistierter Reproduktion.
 

Das Vaginom befindet sich in einem empfindlichen Gleichgewicht, das sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden kann. Wichtige Einflussfaktoren sind Abstammung, Hormonstatus, Schwangerschaft, Ernährung, Lebensweise, Kontrazeptiva, Sexualpraktiken und Anzahl der Sexualpartner*innen. Negativ auf das Vaginom wirken sich beispielsweise eine übertriebene Vaginalhygiene oder die Einnahme von Antibiotika sowie Antimykotika aus. 

Mit Einsetzen der Menarche und steigendem Östrogenspiegel vermehren sich die Laktobazillen-Arten in der Scheide und werden zur vorherrschenden Spezies. Während des Menstruationszyklus kann die Zusammensetzung des Vaginoms zwar schwanken, aber bleibt im Allgemeinen von Laktatbildnern dominiert und wenig divers. Die Diversität des Vaginoms steigt erst mit Beginn der Menopause wieder an, gleichzeitig nimmt dann auch die Anzahl der Laktobazillen ab. Laktobazillen inhibieren die Anlagerung pathogener Erreger, verhindern deren Wachstum und schützen vor sexuell übertragbaren Krankheiten durch Bildung von:

  • Laktat, was den vaginalen pH-Wert auf < 4,5 senkt und mikrozide sowie virozide Wirkungen hat
  • H2O2 und antimikrobiellen Peptiden (AMP)

 

Grundsätzlich kann das Vaginom anhand der Anzahl und Verhältnisse der vorhandenen Bakterienspezies grob in fünf verschiedene Typen unterschieden werden. Diese werden als Community State Types (CST) bezeichnet:

CSTDominierende SpeziesBewertung
ILactobacillus crispatuspositiv, stabil
IILactobacillus gasseripositiv, stabil
IIILactobacillus inersintermediär, instabil
IVAtopobium vaginae, 
Gardnerella vaginalis
pathogene Keime dominieren, geringer Anteil Laktobazillen; instabil
VLactobacillus jenseniipositiv

 

Während CST I, II und V durch das Vorhandensein protektiver Laktobazillen-Arten charakterisiert sind, ist CST III eher instabil und von Lactobacillus iners dominiert. Im Gegensatz zu den D-Laktat-Bildnern L. crispatus, L. gasseri und L. jensenii bildet L. iners vorwiegend L-Laktat, von dem keine ausgeprägten protektiven Wirkungen auszugehen scheinen. Im CST IV dominieren die pathogenen Keime Atopobium vaginae bzw. Gardnerella vaginalis, die häufig mit weiteren Erregern bei bakteriellen Vaginosen vergesellschaftet sind, bei gleichzeitig geringem Vorhandensein von Laktobazillen.

 

Dr. med. Dr. rer. nat. Hans-Wolfgang Schultis

Ärztliche Leitung & Prokurist, Standortleitung, Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Diplom-Biochemiker, Verkehrsmedizin

Wie ein Fingerabdruck – so einzigartig ist das vaginale Mikrobiom bei jeder Frau. Daher unterstützt eine Vaginombestimmung mittels Next Generation Sequencing (NGS), eine individuell passende Diagnose und Behandlung zu finden.

Indikationen

Bakterielle Vaginosen, rezidivierende Infektionen sowie Fertilitätsstörungen, Schwangerschaftskomplikationen und Fehl- oder Frühgeburten sollten Anlass für eine Untersuchung des Vaginoms sein. Eine umfassende Analyse mittels NGS hilft bei der Therapieentscheidung.

 

Vaginosen

Vaginosen sind durch eine veränderte Zusammensetzung der besiedelnden Bakterien der vaginalen Schleimhaut charakterisiert und werden nicht zwangsläufig von den betroffenen Frauen überhaupt bemerkt. Meist ist die Diversität der Mikroorganismen erhöht, wobei gleichzeitig anaerobe Bakterien wie Gardnerella, Atopobium oder Prevotella die vorherrschenden Spezies sind. Insbesondere Gardnerella vaginalis gilt als wichtigster Erreger bei bakteriellen Vaginosen. Jedoch sind nicht alle Subtypen gleich pathogen. Dementsprechend kann der Nachweis mittels NGS bei der Entscheidung helfen, ob tatsächlich eine Antibiose erfolgen muss. Andersherum kann auch eine Döderleinflora gestört sein und von einer ergänzenden Probiotika-Gabe profitieren, wenn z. B. hauptsächlich L. iners vorliegt. Kenntnis über das gesamte Keimspektrum bei einer bakteriellen Vaginose erleichtert außerdem die Auswahl der geeigneten Antibiose.1 So ist Metronidazol einerseits gut geeignet, um die Laktobazillen-dominierte Vaginalflora zu schützen. Andererseits ist Metronidazol nicht gegen die G.-vaginalis-Subgruppen A und D wirksam. Auf diese Weise werden oft nur Teilpopulationen von G. vaginalis eliminiert, mit einem hohen Risiko für Rezidive. Clindamycin hingegen ist gut wirksam gegen G. vaginalis, allerdings bei gleichzeitiger Wirksamkeit gegen protektive Laktobazillen. Gegebenenfalls liegt sogar ein sehr heterogenes Keimspektrum vor, wo weder mit Metronidazol noch Clindamycin ein Ansprechen erreicht werden kann und die Wahl auf ein anderes Antibiotikum fallen muss.

 

Vaginalmykosen

Vaginalmykosen treten statistisch gesehen bei drei von vier Frauen mindestens einmal im Leben auf. Etwa drei bis vier Prozent dieser Frauen sind sogar von rezidivierenden vaginalen Pilzinfektionen betroffen. Unter den Vaginalmykosen ist die Vulvovaginalcandidose (VVC) am häufigsten anzutreffen. Diese wird von Candida-Stämmen verursacht. Candida albicans ist zu 85 bis 95 Prozent die nachweisbare Spezies bei prämenopausalen, schwangeren, asymptomatischen und gesunden Frauen sowie bei Frauen mit akuter VVC.In geringer Keimzahl sind Candida-Spezies bei vielen Frauen nichtpathologischer Bestandteil des Vaginoms. Diverse Faktoren wie hormonelle Einflüsse, Immunsuppression, Veränderungen des vaginalen pH-Werts sowie der vaginalen mikrobiellen Besiedlung können zu einer Vermehrung der Candida-Spezies und letztlich zur symptomatischen VVC führen.

 

Unerfüllter Kinderwunsch und Aborte

Beim Einsatz von Methoden zur assistierten Reproduktion kann das Vaginom sowohl positiven als auch negativen Einfluss auf den Erfolg der Maßnahmen nehmen. Eine geringe Diversität mit Laktobazillen wie L. crispatus, L. jensenii und L. gasseri als dominierenden Arten wirkt sich positiv auf die Erfolgsrate bei assistierter Reproduktion aus.3-5 Ein geringerer Reproduktionserfolg besteht hingegen bei bakteriellen Vaginosen und Dominanz von Atopobium vaginae und G. vaginalis sowie Escherichia coli, Staphylococcus, Streptococcus, Enterobacteriaceae u. a.. Auch Aborte im ersten Trimester scheinen mit einer veränderten Zusammensetzung des Vaginoms assoziiert zu sein: Im Vergleich zu Frauen, die termingerecht geboren haben, sind im Vaginom der Frauen mit Abort weniger Laktobazillen bei erhöhter Diversität vorhanden.6 Daher kann eine Vaginom-Analyse vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung den Prozess im Sinne einer individuellen Therapie sinnvoll unterstützen.

Testverfahren und Kosten

Molekularbiologische Testverfahren wie NGS und die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ermöglichen die Bestimmung des individuellen Vaginoms. Dies beinhaltet die Erfassung der Diversität sowie der vorherrschenden Spezies. Gleichzeitig können Scheideninfektionen frühzeitig erkannt werden. Für die Analyse wird lediglich eine Probe der vaginalen Schleimhaut benötigt, die mit einem Abstrich entnommen wird. Ein zweiter konventioneller Abstrich (Swab) dient im Bedarfsfall der mikrobiologischen Anzucht zur Erstellung eines Antibiogramms. Zusätzlich wird die Diversität des Vaginoms mittels Shannon-Index angegeben. Für eine aussagekräftige Interpretation wird der Shannon-Index immer im Zusammenhang mit den nachgewiesenen Arten betrachtet. Mit dem Befund erhalten Ihre Patientinnen und Sie eine Interpretation sowie Therapieempfehlungen auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse. Der Abstrich für eine Vaginom-Analyse ist nicht Bestandteil des Krebsvorsorgeprogramms oder der Schwangerenvorsorge und wird daher von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht regelhaft übernommen. Die Bestimmung des Vaginoms mittels molekularbiologischer Methoden (NGS / PCR) erfolgt daher als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Im Einzelfall kann bei entsprechender medizinischer Indikation eine Kostenübernahme bei den gesetzlichen Krankenkassen beantragt werden.

Antrag auf Kostenübernahme

  1. Heizmann, W. R. & C. Keck. 2020. Vaginomdiagnostik – eine neue Ära in der gynäkologischen Infektiologie. Geburtsh Frauenheilk 80: 484–487. https://doi.org/10.1055/a-1109-1696.
  2. Vulvovaginal candidosis. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level), AWMF Registry No. 015/072, September 2020. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-072.html.
  3. García-Velasco, J. A., D. Budding, H. Campe, S. F. et al. 2020. The reproductive microbiome – clinical practice recommendations for fertility specialists. Reprod Biomed Online 41(3):443–453. doi:10.1016/j.rbmo.2020.06.014.
  4. Koedooder, R., M. Singer, S. Schoenmakers, et al. 2019. The vaginal microbiome as a predictor for outcome of in vitro fertilization with or without intracytoplasmic sperm injection: a prospective study. Hum Reprod 34(6):1042–1054. doi:10.1093/humrep/dez065.
  5. Schoenmakers, S., R. Steegers-Theunissen & M. Faas. 2019. The matter of the reproductive microbiome. Obstet Med 12(3):107–115. doi:10.1177/1753495x18775899.
  6. Al-Memar, M., S. Bobdiwala, H. Fourie et al. 2020. The association between vaginal bacterial composition and miscarriage: a nested casecontrol study. BJOG 127: 264–274.

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